Ja, sie gibt es, die typischen Agenturtypen. Eigentlich überholt, sind sie dennoch in jeder Kreativschmiede zu finden. Wer sie sind und was sie ausmacht, beschreibt David Eicher. Natürlich nicht ohne das für ihn übliche Augenzwinkern.
Der Niesanfall kam wie immer plötzlich und unerwartet. In kurzen heftigen Stößen sechsmal hintereinander. Victor zog den Rotz hoch. Eh egal. Keiner mehr in der Agentur um die Zeit. Der Zeiger seiner Patek Philippe, Modell „Calatrava“ – ein Geschenk von Martina zur Silberhochzeit – zeigte so zehn vor acht. Gegen 17:40 Uhr leert sich der Laden immer.
Der Niesanfall hat Victor kurz aus der Bahn geworfen. Sein Hausarzt konnte nichts finden, die Allergietests waren alle negativ. Vielleicht ja tatsächlich doch ein Stresssymptom. Grund hätte er ja. Die Zahlen seiner Agentur zeigen steil nach unten, die Fluktuation steil nach oben. Auf Kununu konnte er neulich lesen, was seine Mitarbeiterinnen über ihn denken: Er könne nicht führen, betreibe kein Prozessmanagement und lasse das Team alleine im Regen stehen.
Ach ja, die Präsentation von Marie. Hatte er ganz verschwitzt. Kurz vor halb sechs hatte sie ihm die Datei geschickt, danach kein Lebenszeichen mehr von ihr. Eben hatte er das knapp 200-seitige Powerpoint-Konvolut geöffnet und schnell wieder geschlossen. Fünf Minuten reichen Victor eigentlich immer für eine sichere Beurteilung – der erste Eindruck täuscht nie. In diesem Fall lässt der sich in einem Wort zusammenfassen: K-A-T-A-S-T-R-O-P-H-A-L.
Na egal, er wird das Ding schon rocken, wie er immer sagt. Gleich mit nem flapsigen Spruch einsteigen. „Mein Wissen ist breit wie ein Ozean und tief wie eine Pfütze“. Irgendetwas in der Art. Wenn er den Etat holt – und daran gibt’s eigentlich keinen Zweifel – , wird er den schon irgendwo zwischenquetschen. Blöd, dass ihm gerade drei Leute abgesprungen sind, aber irgendwie wird’s schon gehen.
Der Job macht Victor schon noch Spaß, aber manchmal fühlt er sich auch als „last man standing“. 56 ist er jetzt und ausgelaugt: vor 23 Jahren hatte er die Agentur gegründet – gemeinsam mit seinem damaligen Kompagnon Thomas, dem Kreativen. Doch der ist vor zwölf Jahren von der Fahne gegangen. Zu chaotisch das Ganze. Victor hat die Jobs zwar ohne Unterlass reingeholt, aber eine richtige Struktur haben beide nie aufbauen können.
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