Bei der Biennale in Venedig könnte uninformierter Aktivismus die Werte einer freien Kunst zunichtemachen, sagt Kulturredakteur Stefan Koldehoff.
Demonstranten mit palästinensischen Fahnen protestieren beim Pre-Opening im Giardini auf dem Gelände der Kunstbiennale in Venedig.
Es gab einen sehr ruhigen Moment auf der sonst so lauten und bunten Biennale in Venedig: Am Donnerstagmittag versammelte sich eine Gruppe von vielleicht 40 Menschen in den Giardini, jenem großen Gelände im Süden der Stadt, in dem Dutzende von Ländern ihren eigenen Pavillon haben. Der israelische liegt fast in der Mitte. Er ist seit Beginn der größten Kunstausstellung der Welt geschlossen. Die Künstlerin Ruth Patir und ihre beiden Kuratorinnen wollen ihn erst öffnen, wenn es in ihrer Heimat einen Waffenstillstand gibt und alle Geiseln frei sind. Bewaffnete italienische Soldaten bewachen seitdem das verglaste Gebäude und die Kunst darinnen, die nicht mehr frei ist. Und das ist ein Problem.
In Venedig zeigt sich nun, dass es sich keinesfalls um ein deutsches Problem handelt. Protestaktionen von Aktivistinnen und Aktivisten aus der Kunstszene gab es in den vergangenen Tagen nämlich auch vor den Pavillons der USA, von Frankreich und Großbritannien. Weil diese Länder an der Seite Israels stehen. Und vor dem deutschen, in dem unter anderem die israelische Künstlerin Yael Bartana eine Arbeit zeigt. Deutschland sei ein Nazi-Staat wurde dort skandiert.
Zuhören, Anhören, Verstehen, Empathie: Das waren wesentliche Elemente einer freien Kunst, seit sie sich in der Aufklärung von den Obrigkeiten emanzipiert hat. In Venedig kann man gerade den Eindruck gewinnen, dass wütender, oft uninformierter Aktivismus diese alten Werte zunichtemacht. Für eine Gesellschaft, die sich auch als Kulturgemeinschaft versteht, sind das keine guten Signale.
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