Eine Kleinstadt in den Karpaten ist für Frauen zum Fluchtpunkt geworden. In Solotwyno heult keine Sirene. Ein Besuch im sichersten Ort im Kriegsgebiet.
Denise Hruby 17.3.2022, 08:15 Uhr
Vom ehemaligen Waisenhaus des Orts, das jetzt Geflohene aufnimmt, sind es gerade einmal einen Kilometer bis zur rumänischen Grenze: Die gewundene Hauptstraße hinunter, vorbei am Friseur, der weiterhin Haare schneidet, und an den jungen ukrainischen Soldaten, die während der Passkontrolle Schokokekse essen. Den Koffer mit den wenigen Habseligkeiten über die schmale Holzbrücke über den Grenzfluss Tisza ziehen – und in Nato-Mitgliedsland Rumänien Schutz finden.
Lilya Solodovnik, geflüchtet aus Charkiw„Ich will meinen Mann nicht allein in der Ukraine lassen, und das hier – das ist noch immer die Ukraine. Das ist mein Zuhause“ „Es ist der sicherste Ort in der Ukraine“, erklärt er den großen Zustrom. Auch er habe Verwandte in Westeuropa, verbrachte mehrere Sommer in der österreichischen Stadt Linz. Zwar sei die Ausreise für Männern bis zum Alter von 60 verboten, doch ohnehin würde kaum ein Ukrainer daran denken, das Land zu verlassen, meint er.
„Ich mag, dass hier keine Bomben fallen“, sagt ein kleines Mädchen aus Charkiw, auf dessen rosa Pullover ein Einhorn glitzert. „Wir bekommen wirklich viel Unterstützung aus Rumänien“, sagt Angela Biletska, eine Krankenschwester, die 14 Stunden pro Tag Medikamentenlieferungen sortiert. Die vielen Schachteln und Hilfsgüter, die sie schleppt, haben ihre Schienbeine mit blauen Flecken und kleinen Schnitten überzogen. „Weniger werden es wohl nicht“, scherzt sie. Die Gänge sind bereits voll, innerhalb eines Tages beginnen sich die Tüten und Kisten auch an der Außenmauer zu stapeln.